Kennzeichnend für die Hirsche ist das Geweih, eine paarige Bildung, die aus zapfenförmigen Knochengebilden („Rosenstöcken“) am Stirnbein (Os frontale) wächst. Das Geweih besteht aus Knochensubstanz, den größten Anteil bildet dabei Hydroxylapatit, ein kristallisiertes Kalziumphosphat, das gut 30 % des Geweihs ausmacht.[2] Die Form des Geweihs hängt vom Alter und der Art ab, bei manchen Arten sind es einfache, spießförmige Gebilde, bei anderen weist es weitverzweigte oder schaufelförmige Strukturen mit zahlreichen Spitzen auf. Das größte Geweih heutiger Hirsche besitzt der Elch mit einem Gewicht von bis zu 35 kg. Die großen und weitverzweigten Geweihe weisen häufig einen spongiosen Kern auf, der die Elastizität der gesamten Struktur erhöht. Mit Ausnahme des Wasserrehs verfügen alle Hirscharten über Geweihe. Allerdings ist dieses nur beim Ren (Rangifer tarandus) auch bei beiden Geschlechtern ausgebildet, ansonsten ist es ein exklusives Merkmal der Männchen. Bei diesen dient es dem Imponierverhalten und Kämpfen um das Paarungsvorrecht.[1]
Mit riesigem Geweih
Im Unterschied zu den Hörnern der Hornträger ist das Geweih keine permanente Bildung, sondern wird im jährlichen Zyklus erneuert. Die Bildung ist dabei an den Testosteronhaushalt der Männchen gekoppelt (beim Ren möglicherweise auch an das Estradiol, das in beiden Geschlechtern in größerer Menge produziert wird). Während der Wachstumsphase wird das Geweih durch eine kurzbehaarte Haut, Bast genannt, mit Blut versorgt. Die Wachstumsrate ist dabei enorm und kann bei großen Hirschen wie dem Wapiti (Cervus canadensis) bei 2,8 cm täglich liegen oder beim Elch 417 g betragen,[2] womit das Geweih eines der am schnellsten wachsenden Organe innerhalb der Säugetiere darstellt. Allerdings ist die Ausbildung des Geweihes sehr kostenintensiv, da teilweise Mineralien aus dem Skelett mobilisiert werden müssen, was bei einigen Arten zu einer zeitweiligen Osteoporose führt. Sobald es seine volle Größe erreicht hat, trocknet die äußere Hautschicht durch Versiegen der Blutzufuhr ein und juckt, weswegen sie abgestreift oder gefegt wird. Zurück bleibt eine dunkle und weitgehend abgestorbene Knochenstruktur, die mit dem lebenden „Rosenstock“ verbunden ist und über mehrere Monate getragen wird.[1]
Unterschiedliche Wachstumsstadien eines Geweihs
Das Geweih wird jedes Jahr nach der Paarungszeit abgeworfen und anschließend neu gebildet. Der Abwurf des Geweihs ist mit dem Absinken des Testosteronspiegels verbunden, wodurch kurzfristig Osteoklaste aktiviert werden, die den Knochen am „Rosenstock“ auflösen. Die anschließende Verheilung der Wunde ist wohl der Auslöser des nächsten Geweihwachstums. Zwischen Abwurf und Neubildung liegt bei den meisten Hirschen ein zeitlicher Abstand von einem bis zwei Monaten, bei den Echten Hirschen kann dies unmittelbar aufeinander folgen. Bei Arten mit fester Paarungszeit fällt dieses Abwerfen in eine bestimmte Jahreszeit (beim Reh und beim männlichen Rentier in den Spätherbst, beim weiblichen Rentier und den anderen europäischen Arten in den Spätwinter oder Frühling); bei Arten in tropischen Regionen gibt es keinen festen Zeitpunkt hierfür. Die Bildung des Geweihs setzt bereits im juvenilen Stadium ein und beginnt bei den Trughirschen und den Muntjakhirschen im ersten Lebensjahr, bei den Echten Hirschen ab dem zweiten Lebensjahr. Dabei bilden sich zuerst kleinere Spieße, die komplexen Geweihstrukturen entstehen mit dem zunehmenden Lebensalter.[1]
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